Im Golf von Guinea vor der Westküste Zentralafrikas liegen zwei Inseln in einer Kette von Vulkaninseln im Atlantik, auf Höhe des Äquators, die als São Tomé und Príncipe bekannt sind. Die ehemaligen portugiesischen Kolonien mit einer dunklen Vergangenheit sind heute ein Geheimtipp für Urlauber – auch solche mit Surfboards im Gepäck.
Text und Bilder von John Seaton Callahan via Azylo. Deutsch von Luca Brück. Mehr zum Autor unter der Story.

Diese üppig bewachsenen tropischen Inseln galten bei der Ankunft der Portugiesen im Jahr 1470 noch als unbewohnt und wurden in der Folge für groß angelegte Plantagen-Landwirtschaft genutzt.
Der dichte Tropenwald wurde gerodet und Tausende von Sklaven als Arbeitskräfte importiert, viele von ihnen aus der portugiesischen Kolonie Angola auf dem afrikanischen Festland.
Mit Sklavenarbeit wurden Zucker und Kaffee angebaut und von den Inseln nach Portugal und in das übrige Europa exportiert. In den 1870er Jahren wurde eine weitere tropische Kulturpflanze eingeführt, die die Inseln weltberühmt machen sollte.
Die Kakaopflanze stammt ursprünglich aus Südmexiko, wurde aber, als die Preise für Zucker einbrachen, nach São Tomé eingeführt, wo sie auf dem fruchtbaren Vulkanboden in dem warmen, feuchten Klima sehr gut gedieh. Die Kakaoindustrie in São Tomé wuchs schnell, auch dank der in Europa sehr großen Nachfrage nach der Sorte Criollo, die eine reichhaltige und samtige Schokolade ergibt. Bald hatten die Inseln einen Spitznamen: “Die Schokoladeninseln”.
Die soziale Geschichte von So Tomé und Príncipe war schon immer turbulent, mit harten und brutalen Arbeitsbedingungen für die Sklaven, die die für den Export bestimmten Nutzpflanzen, darunter die berühmten Kakaobohnen, anbauten.
Es kam zu zahlreichen Sklavenaufständen und Episoden extremster Grausamkeiten und Gewal, um die Plantagenwirtschaft zu erhalten, und obwohl die Sklaverei 1876 in Portugal und allen portugiesischen Kolonien verboten wurde, existierte sie in entfernten Gebieten wie São Tomé und Príncipe bis weit ins 20te Jahrhundert hinein.
Als die Portugiesen 1975 nach mehr als 500 Jahren ihre afrikanischen Kolonien massenhaft verließen, wurden die verbliebenen Kaffee-, Zucker- und Kakaoplantagen weitgehend aufgegeben, und São Tomé und Príncipe versank in tiefer Armut und Vergessenheit. Praktisch alle weißen portugiesischen Kolonialisten verließen die Inseln, und die verbliebenen Bewohner kehrten zur Subsistenzlandwirtschaft und zum Fischfang zurück, um zu überleben.
Eines der Sujets unseres surfEXPLORE-Projekts in São Tomé waren die vielen leer stehenden Häuser am Stadtrand von São Tomé, die mit dem Abzug der Portugiesen geräumt und nie wieder bewohnt wurden und sich langsam im tropischen Klima auflösten.
Auf den Plantagen herrschte derselbe Zustand: Ungepflegte Kaffee- und Kakaosträucher wuchsen wild und glichen eher Bäumen als Sträuchern, und ein Vermögen an Kaffeebohnen und Kakaoschoten fiel zu Boden, wurde nicht eingesammelt und der Zersetzung überlassen.
Wir begannen unsere Suche nach Wellen am “Praia das Sete Ondas”, wo es, wie uns die Einheimischen sagten, “große Wellen zum Surfen” gäbe. Da der Name auf Portugiesisch “Strand der sieben Wellen” bedeutet, schien dies ein guter Ort für den Anfang zu sein.
Der Strand der sieben Wellen hatte zwar Wellen, aber es handelte sich um einen Standard Beachbreak mit Closeouts auf schwarzem Sand. Nicht das, was wir suchten, aber es war trotzdem ein spaßiger Ausflug und da es sich um einen beliebten Strand in Fahrdistanz zur Stadt handelte, gab es einige Imbisse, an denen man unter Kokospalmen zu Mittag essen konnte.
Wir erfuhren bald, dass mit dem Weggang der Portugiesen auch das Konzept der Straßeninstandhaltung aufgegeben worden war. Alle Straßen in São Tomé waren seit Jahrzehnten sich selbst überlassen. Mehrere Abschnitte der Hauptstraße von São Tomé nach Porto Alegre an der Ostküste waren in der Regenzeit nur mit Geländemotorrädern passierbar.
Wir hielten an, um den Surf in einem Gebiet nahe dem östlichsten Punkt der Insel São Tomé zu überprüfen. Mit dem Fernglas konnten wir klar und deutlich Wellen an einem rechten Pointbreak sehen.
“Lasst uns einfach bis zum Tor fahren. Wir sind amerikanische Steuerzahler, wir finanzieren diese Einrichtung, sie sollten uns reinlassen”.
Surfer Sam George
Wir suchten nach einer Straße zum Strand und sahen uns mit einem fünf Meter hohen Zaun mit Stacheldraht konfrontiert, mit Schildern in portugiesischer Sprache, die vor einem Stromschlag für jeden warnten, der den Zaun berührte, zusammen mit einer Grafik von jemandem, der einen Stromschlag erlitt, für diejenigen, die Analphabeten sind und nicht lesen können, was auf São Tomé nicht ungewöhnlich ist.
Von einigen Einheimischen erfuhren wir bald, dass es sich um eine Einrichtung der Voice of America handelte, die ein starkes Signal mit einer von den USA finanzierten Botschaft von Freiheit und Demokratie über den afrikanischen Kontinent von Kairo bis Kapstadt ausstrahlte. Nachdem wir versucht hatten, von beiden Seiten hineinzukommen, was mehrere Stunden Fahrt und Fußmarsch in Anspruch nahm, schlug Sam George schließlich vor: “Lasst uns einfach bis zum Tor fahren. Wir sind amerikanische Steuerzahler, wir finanzieren diese Einrichtung, sie sollten uns reinlassen”.
Und das machten wir. Der Wachmann war überrascht, Besucher zu sehen, da amerikanische Besucher, die Englisch sprechen, in São Tomé selten sind. Er rief den Manager an, der uns einließ und uns sagte, wir sollten bis zum Ende der Straße fahren und ihn in seinem Büro treffen.
Als wir die kurze Strecke zum Strand fuhren, wurde deutlich, dass wir uns in einer US-Einrichtung und nicht in São Tomé selbst befanden, denn die Straße war gerade, glatt und ohne Schlaglöcher, die Gebäude sahen neu aus und waren gestrichen, und es gab keine Gruppen kleiner Kinder, die auf der Straße mit einem Ball aus Kleidungsstücken Fußball spielten.
“Tony”, der VOA-Manager, entpuppte sich als ein sehr interessanter Mann, der fünfzehn Jahre lang in den Vereinigten Staaten in Massachusetts als Radioingenieur gearbeitet hatte, nachdem er als Teenager aus São Tomé in die USA gekommen war, um bei Verwandten zu leben.
Eines Tages sah er bei der Arbeit eine Anzeige in einer Fachzeitschrift der Radiobranche, in der ein Manager für die VOA-Einrichtung in São Tomé gesucht wurde, und bewarb sich sofort. Er wurde eingestellt, da er der einzige Bewerber war, der tatsächlich aus São Tomé stammte, einen US-Pass besaß, nachdem er amerikanischer Staatsbürger geworden war, und Portugiesisch als Muttersprache sprach. Er sagte uns in seinem lässigen amerikanischen Ostküsten-Englisch, wir sollten nicht lang zögern und surfen gehen. Er wisse nichts über das Surfen, aber er habe an dem Pointbreak, der etwa 100 Meter von seinem Büro entfernt ist, Wellen von zwei Metern gesehen. In den drei Jahren, die er hier arbeitete, hätte er allerdings nie jemanden surfen gesehen. “Ich glaube nicht, dass hier schon einmal jemand gesurft ist”, sagte er. “Ihr werdet die Ersten sein!
Wir bedankten uns bei Tony für seine Gastfreundschaft und liefen sofort zum Strand, wo wir unter einigen Kokospalmen geparkt hatten. Die Brandung war kopfhoch, der Wind ablandig, lange Rechte bogen sich um den östlichsten Punkt der Insel São Tomé.
Wir hatten eine tolle Session und achteten genau auf die Zeit, denn Tony hatte gesagt, dass wir um 18:00 Uhr aus dem Wasser sein sollten. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Anlage für die abendliche Voice of America Sendung auf volle Leistung hochgefahren wurde und es wäre eine gute Idee, sich nicht im Weg der Radiowellen zu befinden, die über den afrikanischen Kontinent gestrahlt wurden.
Nach ein paar Tagen schafften wir es auf der schrecklichen Straße die Ostküste hinunter bis zu der kleinen Stadt Porto Alegre, wo wir eine der besten Wellen im tropischen Afrika fanden, den langen rechten Pointbreak, der in den Hafen bricht.
Die Welle ist ein Juwel, ein langer und schneller rechter Point, der für Swell aus dem Süden offen ist und sich mit einer Reihe von Sections in den ruhigen Hafen von Porto Alegre schält. Von den Einheimischen erfuhren wir, dass es in Porto Alegre zwar keine Übernachtungsmöglichkeit für Besucher gab, aber auf der Ilha das Rolas (Turteltaubeninsel) ein neues Resort im Bau war.
Rolas ist eine kleine Insel, die genau auf dem Äquator liegt und früher eine private Kokosnussplantage war. Die Insel liegt nicht weit von Porto Alegre entfernt und ist in wenigen Minuten mit dem Boot erreichbar.
Wir mieteten ein Boot und fuhren nach Rolas, um dort zu übernachten. Der Ressort-Manager, ein freundlicher Portugiese, traf sich mit uns und erzählte uns mehr über das Projekt. Er lud uns ein, im restaurierten Haupthaus zu wohnen. Aufgrund unvorhergesehener Verzögerungen seien sie noch lange nicht fertig, aber wir könnten gerne vorbeikommen und bleiben, da sie Zimmer und Essen zur Verfügung hätten. Er gab uns eine Einkaufsliste mit Dingen, die wir in der Stadt besorgen sollten, und etwas Geld in lokalen Dobras, um die Einkäufe zu bezahlen. Wir sagten, wir würden unsere Sachen morgen vorbeibringen und ein paar Tage bleiben.
Rolas entpuppte sich als großer Spaß, eine charmante kleine Insel mit einer langen Geschichte als Kokosnussplantage und hohen Kokospalmen auf jedem Quadratmeter Land. Wir besuchten das Äquatordenkmal auf der Insel. Laut unserem GPS war es etwas deplatziert, denn die tatsächliche Linie lag etwa fünf Meter seitlich, wo die Anzeige von N nach S wechselt, wenn man einen Schritt in eine andere Hemisphäre macht.
Auf Rolas gab es definitiv Wellen. Am ersten Morgen war Sam früh aufgewacht und zum Strand gegangen, um einen Surf-Check zu machen. Er kam ganz aufgeregt zurück und sagte: “Da draußen surfen ein paar kleine Kinder”, schnappte sich sein Longboard und ging wieder.
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Wir gingen zum Strand vor dem unfertigen Hotel, und dort waren tatsächlich mindestens zehn Kinder auf Holzbrettern unterwegs, um Wellen zu fangen und zu reiten. Sam surfte inmitten der Gruppe nackter Jungen, die sich prächtig amüsierten.
Die Wellen rollten gemächlich im Waikiki-Stil über einen Untergrund aus Sand- und Riff, das Ergebnis eines Swells vom offenen Atlantik auf der anderen Seite der Insel, der sich um zwei Ecken der Insel wickelte und jetzt hier in Wellen resultierte. Wenn der Swell groß genug war, um die gesamte Insel Rolas um 180 Grad zu umrunden, wie groß mochten dann die Wellen auf der anderen Seite erst sein?
Wir sollten es bald herausfinden, als wir einen kurzen Spaziergang entlang der Küste machten, wo ein Weg durch die Kokosnusspalmen führte. Einige der Kinder aus dem Dorf schlossen sich uns an und liefen voraus. Sie winkten uns zu einer Lichtung, wo donnernde Linkswellen über ein Riff brachen, das wir an Ort und Stelle “Point Zero” nannten, nach dem nur wenige Meter entfernten Äquator.
Die Kinder sagten auf Portugiesisch, dass sie dort noch nie gesurft wären, die Wellen seien viel zu groß und mächtig für sie und ihre Holzbretter, und sie hätten auch noch nie einen Surfer auf dieser Welle gesehen. Randy und Sam studierten die Welle einige Sets lang, erklärten sie für surfbar und begannen mit dem Wachsen, um es zu versuchen.
Randy, Sam und Tiago surfen die mächtigen Links-Wellen für die nächsten Stunden und kamen sichtbar erschöpft am Sandstrand an, müde vom ständigen Paddeln gegen die starke Strömung, um in Position zu bleiben.
Der Swell nahm in den nächsten Tagen deutlich ab, und so kehrten wir zu einem Projekt zurück, das wir bei unserer Ankunft auf Rolas begonnen hatten: Wir leimten einen Rohling aus einheimischem Holz, um ein Brett für die Kinder herzustellen. Randy hatte aufmerksam zugehört, als ein Einheimischer erklärt hatte, wie sie die Holzbretter herstellen und woher sie das Holz im Wald im Landesinneren bekommen.
Auf der Insel gab es eine komplette Holzwerkstatt, die zu der alten Plantage gehörte, mit einigen schönen, jahrhundertealten Maschinen aus Portugal und einigen modernen Sägen und Bohrmaschinen, darunter eine schwere Makita-Hobelmaschine, die laut Randy zwar schwer zu bedienen war, aber ihre Aufgabe erfüllen würde.
Der Leim auf dem Rohling war getrocknet, also stellte Randy die Sägeböcke auf und formte den Rohling in mehrstündiger Arbeit mit der schweren Hobelmaschine und verschiedenen Handwerkzeugen zu einem Brett. Wir nagelten eine hölzerne Finne auf das Heck und die “Rolas Special” war fertig.
Alle surfenden einheimischen Kids folgten uns mit dem neuen Brett an den Strand, wir ließen es zu Wasser und sie surften alle abwechselnd darauf, ihr erstes neues Brett seit langem. Der Manager des Resorts sagte, er wolle das “Rolas Special” über der Bar anbringen, wenn das Resort fertig sei.
Einige Jahre später erfuhren wir von einem Gast des Ferienortes, dass genau das passiert war, und das Surfboard ist immer noch da, an seinem stolzen Platz.
Text © John Seaton Callahan/Images © John Seaton Callahan
John Seaton Callahan wuchs auf Hawaii auf, wo er mit Barack Obama die Schulbank drückte. Er studierte an der UCLA in Kalifornien und begann dort auch mit der Fotografie. Über Hawaii ging John nach Singapur und wurde zu einem der besten und gefragtesten Surf-Fotografen der Welt.
John hat Credits für Publikationen in New York Times, BBC, Lonely Planet, National Geographic, Redaktion GEO und vielen anderen internationalen Büchern, Magazinen und Websites sowie für mehr als 120 Titelbilder weltweit.
John Callahan ist Gründungsmitglied der SurfEXPLORE Group, einem internationalen Kollektiv, das sich das Entdecken, die Dokumentation und die Konservierung neuer Surfspots auf die Fahne geschrieben hat. Klick auf die Links, um ihnen auf Instagram und Facebook zu folgen.
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